Schönheit und der Pose- und No Pose-Trend
Pose- und No Pose-Bilder – eine großartige Bewegung, die bei mir Unwohlsein auslöste
Kennt ihr diese Bilder? Frauen setzen sich erst gekonnt in Szene, um zu präsentieren, wie leicht man auf Fotos einen, dem allgemein gültigen Schönheitsideal entsprechenden Körper vortäuschen kann (pose). Aber mit einem Fingerwisch nach rechts zum nächsten Bild kann man sich davon überzeugen, wie der Schein trügt. Dieselben Frauen zeigen ihre Röllchen und Dehnungsstreifen in entspannten Körperhaltungen (no pose). Ich finde es großartig, dass immer mehr Frauen mit solchen Bildern zeigen, wie viel bei Fotos getrickst werden kann. Und ich finde es ebenso großartig, dass mit solchen Bildern Frauen bestärkt werden, sich so zu lieben und zu zeigen, wie sie sind. In ihrer ganz individuellen Schönheit.
Schönheitsideal und Schönheitsmakel
Aber das direkte Gegenüberstellen des in all unseren Köpfen (leider) präsenten Schönheitsideales und der bewusst präsentierten „Schönheitsmakel“ fühlte sich für mich dennoch nicht gut an. Denn genau das Wort „Schönheitsmakel“ ploppte sofort in meinen Gedanken auf. Eine kleine Stimme in meinem Kopf flüsterte sofort: Es ist okay, Röllchen am Bauch zu haben, aber ohne ist es schon schöner und begehrenswerter. Ich würde das Wort „Makel“ im Zusammenhang mit dem Körper, der Persönlichkeit, dem Leben und allem, was einen Menschen ausmacht, gerne aus meinen Gedanken und meinem Wortschatz streichen. Und es macht mich dennoch oder gerade deshalb wütend und traurig, wie stark die seit Jahrzehnten vermarkteten Schönheitsideale und „Lebensführungsideale“ auch in meinem Kopf und Denken verankert sind.
Individuelle Schönheit
Am Ende ist es doch so: Wir sind alle, genau so wie wir sind, perfekt. Mit unserem Leben, unserer Persönlichkeit und unserem Körper einfach einzigartig. Und umso öfter wir die belastenden Gedankenmuster und automatisierte Wortwahl für unsere heutigen Werte als alt und überholt entlarven und bewusst in eine andere Richtung lenken, desto mehr verlieren die alten Muster ihre Bestandskraft in uns.
Die Doppelmoral hinter den Pose- und No Pose-Bildern
Als ich weiter über das Thema der Pose- und No Pose-Bilder nachdachte, wurde mir jedoch noch ein weiterer Aspekt bewusst, weshalb ich beim Betrachten der Bilder immer ein flaues Gefühl in der Magengegend hatte. Die Bilder zeigen (meist) Frauen, welche mit ihrer angeborenen Körperform durch kleine Veränderungen der Posen viel bewirken können. Sie können durch den Kamerawinkel, die Körperhaltung oder eine hochgezogene Bikinihose dem allgemein gültigen Schönheitsideal entsprechen, sportlich, schlank und straff wirken. Doch es gibt eine Vielzahl wunderschöner gesunder Körperformen, welche nicht mit einer bestimmten Pose oder einer hochgezogenen Bikinihose innerhalb von Sekunden zu dem gesellschaftlichen Schönheitsideal transformiert werden können.
Schönheit – so viel mehr als nur Optik
Wenn ich z.B. in der Innenstadt unterwegs bin, schaue ich mir unglaublich gerne verschiedene Körperformen an. Große und kleine Ohren und wie beides perfekt zum jeweiligen Gesicht passt, oder sportlich und elegant geformte Oberschenkel, welche immer perfekt mit dem jeweiligen gesamten Körper harmonieren. Daneben ist auch die Art und Weise, wie die Menschen ihren Körper benutzen, sehr faszinierend. Wie sie gehen, wie sie die Arme heben, wie sie winken oder wie sie lächeln. Probiere es gerne einmal aus, und beobachte Menschen dabei, wie sie ihrem Gesicht und ihrem Körper durch eine bestimmte Form der Gestik und Mimik Leben und individuelle Schönheit einhauchen. Ich finde es wundervoll.
Erkenne deine Einzigartigkeit, und erfreue dich an der Vielfalt
Es gab Zeiten in meinem Leben, da hätte ich mich noch so drehen, wenden, in Klamotten verhüllen oder mit der Kamera Meisterwerke vollbringen können, man hätte immer irgendwo einen Knochen herausstehen sehen. Und das wirft für mich die Frage auf: Was ist mit Körpern, die gezeichnet sind. Gezeichnet vom Leben, von Trauer, Schmerz oder sogar von einer physischen oder psychischen Krankheit? Für mich war es sehr wichtig, mich im Laufe meines eigenen Prozesses von der Scham für mein aktuelles Äußeres zu lösen. Denn Heilung geschieht von innen nach außen. Meine Körperhülle hat meine inneren Veränderungsprozesse nicht sofort gespiegelt, aber mit der Zeit und der schwindenden Scham hat sich auch mein Körper verändert.
Warum innere Heilung zu äußerer Schönheit führt
Die sogenannten Pose- und No Pose-Bilder werden in der Regel veröffentlicht, um das wundervolle Thema Selbstliebe und Selbstakzeptanz zu verbreiten. Um einen Raum dafür zu schaffen, dass sich grundsätzlich jede Frau so zeigen kann, wie sie ist. Auch ich habe einen ganz eigenen Körper und eine ganz eigene Körperform. Und ich habe mich gezeigt. Mit kurzer Hose und Trägertopp. Denn ich bin stolz auf mich, stolz auf meinen Mut, meine Stärke und ja, auch auf meinen Körper. Denn wisst ihr was? Mein Körper lebt und steht gemeinsam mit mir alles durch. Wer das im Außen noch nicht ausreichend erkennt, dem kann ich nicht helfen. Wir alle sind in diesem Moment perfekt, stark und mutig. Wir gehen unseren eigenen Heilungsweg (zurück) zu mehr Lebensenergie und Lebensfreude und ja, auch (zurück) zu einem gesunden Körper.
Nachtrag
Abschließend ist es mir sehr wichtig zu betonen, dass ich die Pose- und No Pose-Bilder keinesfalls kritisiere. Ich finde, hinter den Bildern steckt eine starke und wundervolle Absicht, und viele Frauen fühlen sich dadurch bestärkt. Ich möchte mit meinem Text lediglich die schwierigen Aspekte anführen. Und ich bin mir sicher, ich bin nicht die einzige Frau, bei der diese Bilder Unwohlsein auslösen können.
Freue dich am Leben!
Viele liebe Grüße,
Ine
P.S. Nehme mit, was dich gut fühlen lässt, und schließe das Gefühl ganz fest in dein Herz ein. Und alles, was dir in diesem Moment nicht gut tut, das lege auf eine Wolke und schicke davon, damit es jemand anderem Gutes tun kann.
Ein Hoch auf uns
Autorin: Ine
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