ZURÜCK ZUR INTUITION – JASMIN’S HEALING STORY
Ich habe viele Jahre im Krieg mit meinem Körper gelebt. Ich habe ihn abgelehnt, ausgehungert, vollgestopft, gehasst, kontrolliert, krank gemacht, verurteilt und dennoch konnte ich nicht vor ihm entfliehen.
Ich musste lernen, Frieden mit meinem Körper zu schließen, anstatt ihn zu bekämpfen. Die Teile an mir zu akzeptieren und vielleicht sogar zu mögen, die bis dahin noch keine Liebe kannten. Ich musste lernen, dass ich Frieden in mir finden muss.
Von der Angst mich anzunehmen
Um über meine Geschichte zu berichten, komme ich nicht drum herum von meiner Angst zu erzählen. Die Angst nicht gut genug zu sein war aggressiv und vorherrschend. Gleichzeitig hatte es mich wie ein Nebel bedeckt. Ganz still und leise. Und trotzdem sehr effektiv. Dieses Gefühl war hemmend und hat mich von dem zurückgehalten, was ich mir eigentlich vom Leben wünschte. Ich hatte Angst davor zuzunehmen. Nie den von mir ersehnten dünnen Körper zu erreichen. Ich entwickelte Angst vor bestimmten Lebensmitteln. Also schränkte ich mich ein, lebte in Restriktion und Regeln rund ums Essen. Ich hatte Angst vor mir, denn ich traute mir selbst nicht mehr über den Weg.
Während der Essstörung wusste ich nicht wirklich wer ICH bin und ich definierte mich nur über mein Äußeres. Ich war so mit Essen bzw. Nichtessen, mich wiegen und dem Erbrechen etc. beschäftigt, dass ich selbst total auf der Strecke blieb.
Schon seit klein auf war ich ein sehr sensibler Mensch und es blieb mir bis heute erhalten. Auch während der Essstörung. Ich war hochsensibel für alles, was um mich herum geschah.So sehr, dass es anstrengend für mich wurde/ wird.
Da könnte man sich doch fragen, ob ich auch sensibel mir, meinen Körpersignalen und Gefühlen gegenüber war? Nein! Das hatte ich verlernt. Ich musste funktionieren und mich an Regeln halten.
Wie ist es mit meiner Geschichte, mit der fehlenden Verbindung zu mir selbst und meiner Angst weiter gegangen?
Der Mut, ich selbst zu sein
Es kam eine Wendung und ich machte mich auf den Genesungsweg. Auf diesem Weg der Genesung war eine meiner größten Angst , dass ich die komplette Kontrolle verlieren würde, sobald ich mir „verbotene“ Lebensmittel bedingungslos erlaubte. Die Realität sah jedoch anders aus. Je mehr ich von der Restriktion los lies, desto mehr bekam ich meine echte Kontrolle zurück. Ich erlangte meine natürlichen Hunger- und Sättigungsgefühle wieder zurück. Meine Gelüste normalisierten sich und ich konnte von da an meine Beziehung zum Essen heilen. Das war ein Prozess der Monate dauerte.
Als ich erst einmal meine Essanfälle in den Griff bekommen hatte, konnte ich mich mit so viel mehr beschäftigen. Dies ließ mich schlussendlich genesenund mehr noch, es macht mich heute aus.
Ich musste mir eingestehen, dass es für mich damals viel einfacher war, zu sagen: „Ich fühle mich fett“ – was ich nie war, sondern mein Leben lang normalgewichtig – als, mir selbst meine Angst einzugestehen. Mein Hauptgrund war: „Ich kämpfe mit meinem Körperbild, weil ich Angst davor habe, den Erwartungen anderer Menschen nicht gerecht zu werden. Ich habe eigentlich Angst davor, dass wenn ich nicht perfekt bin, ich nicht gut genug bin. Ich habe eigentlich Angst vor Ablehnung.“ Und das ging tief.
In meiner Genesung ging es endlich darum, auf mich und meinen Körperzu hören. Das bedeutete Meinem Körper und seinen Signalen zu folgen, ihm zu erlauben mich zu führen und dies zu akzeptieren. Alles zu akzeptieren, egal wohin mich mein Körper führen wird und wie die körperliche Veränderung aussehen mag.
Ich realisierte, dass mein Leben nicht vorbei ist, wenn ich meine persönliche Gewichtsgrenze überschreite. Dabei begann ich zu verstehen, dass diese Gewichtsgrenze ohnehin nur von den Stimmen der Essstörung festgelegt ist und nicht von meinem gesunden Ich kommt.
Zu meine Genesung von der Essstörung gehörte also eine Art emotionaler Selbstfindung, eine Auseinandersetzung mit meinen Ängsten, das Erhöhen der Zufriedenheit sowie das Lernen von Körperakzeptanz und Selbstliebe. Immer mit der Perspektive eines Ich, das mit den nötigen Kenntnissen, um Einfluss, Kontrolle und Verantwortung ausgestattet ist, um Verantwortung über das eigene Denken, Fühlen und Verhalten zu übernehmen. Als ich damals mit dem Schreiben über Essstörung und meine Genesung zu schreiben, hatte ich insgeheim immer gehofft, eines Tages in der Lage zu sein, anderen Betroffenen zu helfen.
Dass ich genau dies jetzt tatsächlich tue, ist einfach unglaublich! In den letzten zwei Jahren erreichten mich, durch meinen Blog, immer mehr Betroffene. Daraus ist meine Webseite www.zurueck-zur-intuition.ch entstanden, über die ich Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite stehe. Zudem entstand eine Zusammenarbeit mit Recoverybuddy, die genau wie ich der Passion nachgehen, Betroffene zu unterstützen.
Mit dem Teilen meiner Geschichte möchte ich Betroffenen Hoffnung und Mut machen. Mein Herzenswunsch erfülle ich mir in der Zusammenarbeit. Dabei bringe ich Betroffenen nahe, wie sie sich von einem gestörten Essverhalten befreien können. Außerdem zeige ich auf, wie sie sie ihren Körper nicht mehr quälen, sondern stattdessen durch eine ausreichende und regelmäßige Ernährung, Achtsamkeit und Selbstakzeptanz mit ihm zusammenarbeiten können.
Zurück zur Intuition
Wo stehe ich heute? Es hat sich viel verändert. Auch die Einstellung mir selbst gegenüber. Den ach so „perfekten Körper“ habe ich aus meinem Kopf gestrichen. Ich eifere ihm nicht mehr nach. Ich möchte das krankhafte Körperideal nicht mehr unterstützen. Ich möchte ich sein. Ich sehe den liebevollen, mutigen, verspielten, sensiblen, sinnlichen und einfühlsamen Menschen in mir.
Anders als in der Essstörung entscheide ich mich heute für den Wachstum. Heute ist die Freude mein Motor, nicht die Angst. Ich möchte Glück erfahren und nicht Leid vermeiden. Mein Motiv ist nicht mehr meinen Wert zu beweisen, sondern nach meinen besten Möglichkeiten zu leben. Nicht immer leicht, aber ich gebe mein Bestes.
Die Essstörung hatte mir damals den Weg gewiesen, um wieder in Verbindung mit dem großen Ganzen zu stehen. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit mir selbst in der Genesungszeit und auch heute noch, hat mich stark gemacht. Ich kann mich selbst halten.
Ich wünsche mir für dich, dass auch du deiner Intuition folgen kannst. Denn deine Intuition führt dich immer richtig und manchmal sogar zu Wundern, die du dir noch gar nicht ausmalen kannst.
Ein Hoch auf Uns!
Autorin: Jasmin
Sozialpädagogin HF (Abschluss 2011, Schweiz) mit diversen Weiterbildungen in der Coachingarbeit
2011-2020: Arbeit an diversen Schulen als Sozialpädagogin
Seit Ende 2018 als Coach für Betroffene einer Essstörung tätig (Zurück zur Intuition und bei Recoverybuddy)
Seit 2020 komplett selbständig